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Ein amerikanischer Präsident in Schlesien

John Quincy Adams (1767 - 1848), der 6. Präsident der Vereinigten Staaten.
John Quincy Adams (1767 – 1848), 6. Präsident der Vereinigten Staaten

Zugegeben, der Titel stimmt nicht ganz, Präsident wurde er erst später.

John Quincy Adams (1767 – 1848) war von 1825 bis 1829 der 6. Präsident der Vereinigten Staaten und der älteste Sohn von John Adams, dem 2. Präsident des Landes. Bereits als Kind begleitete er seinen Vater auf dessen diplomatischen Missionen nach Europa. Auf Anregung seines Vaters führte er ab 1779 ein Tagebuch, das heute eine wichtige historische Quelle darstellt.

Nachdem Adams zunächst in Boston als Rechtsanwalt praktiziert hatte, trat er in den diplomatischen Dienst und wurde nach Stationen in den Niederlanden und Portugal im Jahre 1797 Gesandter in Preußen. Von Berlin aus unternahm er mit seiner Frau eine mehrwöchige Reise durch Niederschlesien und die Grafschaft Glatz (Mitte Juli bis Mitte September 1800).

Seine Eindrücke schilderte er tagebuchähnlich in 43 Briefen an seinen Bruder Thomas in Philadelphia. Dieser veröffentlichte die Reisebeschreibungen wenige Jahre später als  „Letters on Silesia“. Die deutsche Ausgabe erschien 1805 beim Verlag Wilhelm Gottlieb Korn in Breslau.

Die ersten 29 Briefe beschreiben die Reise, alle folgenden beinhalten die Geschichte Schlesiens von der Piastenzeit bis zum Tode Friedrich des Großen.

Das Ehepaar Adams reiste in einer eigenen Kutsche auf den üblichen Wegen der Postkutschen,  reitenden Boten und Fußboten. Die ausgeruhten Wechselpferde für die jeweils nächste Reise-Etappe mussten bei den Poststationen unterwegs vorbestellt werden, was nicht immer problemlos funktionierte. Die oft mehrstündige Wartezeit nutzten die Amerikaner für Spaziergänge durch die Ortschaften, auf der Suche nach Sehenswürdigkeiten.

In Grünberg war man beeindruckt von den Tuchmanufakturen. Zwischen sechs- und siebenhundert Webstühle gab es hier zu dieser Zeit und das Tuch war um „fünfzig Procent wohlfeiler“ als das englische in vergleichbarer Qualität. Kommentiert wurde auch die „Tracht der Frauenzimmer“, die ihnen „gar nicht übel“ steht.

Bei Sprottau war der Bober so seicht, dass der Fluss nicht für die Schifffahrt taugte, aber durchaus noch eine Anzahl Korn- und Walkmühlen antreiben konnte.

In Bunzlau gab es neun Töpfermeister, jeder beschäftigte sechs bis acht Gesellen. Sie stellten „Töpferwaaren“ her, besonders „braune Kaffeekannen und Milchtöpfe“ die die Reisenden schon von Berliner Gasthäusern her kannten. Fünf Minuten wurden für die Herstellung eines Topfes auf der Töpferscheibe benötigt. Lange blieben die Adams nicht in der Werkstatt, denn die Töpfer arbeiteten auch im Hochsommer in demselben Raum, in dem sich der angeheizte Brennofen befand.

Adams bemerkte, Hirschberg sei eine hübsch gebaute Stadt mit schönen Gebäuden, den Hintergrund bildete das „majestätische Dunkel des  Riesengebirges“. Es fiel der Reisegruppe schwer, ein Nachtquartier zu finden, da wegen der Nähe zu den Bädern von Warmbrunn (nur eine Stunde mit der Kutsche!) viele Fremde in der Stadt waren. Hier besuchten sie im Schauspiel eine Rübenzahl-Oper und waren begeistert von der schönen Aussicht, die sich bei einer ausgedehnten Wanderung bot. Überall in den umliegenden Dörfern lagen fertig gewebte Leintücher auf der Bleiche.

Im Kretscham von Schreiberhau wurden ein weiterer Brief geschrieben, von dort aus die Burgruine Kynast besichtigt und Himbeeren gesammelt. Auch hier gab es wieder eine „weite und vortreffliche Aussicht“ zu bewundern. Der Burgführer erquickte die Besucher mit selbstgekochtem Kaffee von den „Fatiguen des Hinaufsteigens“ und ließ sie ihre Namen in sein Gästebuch eintragen.

Es folgten auf der Rundreise noch viele weitere Sehenswürdigkeiten: die Vitriolwerke in Schreiberhau, der Kochelfall („Spaziergang dahin … im höchsten Grade romantisch“, „entzückender Anblick“), Glashütten, der Zackelfall, Schlingelbaude, Hampelbaude, die Schneekoppe, eine Zuckerfabrik, Kirchen und Klöster, ein Bergwerk, die Festung Glatz, usw.

Am 20. August erlebten sie die Ankunft des preußischen Königs und der Königin in Waldenburg. Zu ihren Ehren wurde ein Ritterspiel und ein Maskenball veranstaltet.

Auf dem Rückweg von Landeck fuhren die Adams durch die Ruinen von Habelschwerdt und waren vom Unglück der Einwohner erschüttert. Am Abend des 20. August hatte innerhalb weniger Stunden ein Feuer die gesamte Innenstadt und weitere Gebäude zerstört oder beschädigt.

Über Glatz und Breslau kehrten sie nun zum Startpunkt ihrer Rundreise zurück.

Kartenausschnitt mit den Routen von Postkutschen, reitenden Boten und Fußboten um 1800
Kartenausschnitt mit den Routen von Postkutschen (rot), reitenden Boten (blau) und Fußboten (gelb) um 1800. Die roten Markierungen zeigen einige der besuchten Orte.

Aus heutiger Sicht ist es sehr interessant, der Reisegruppe das John Quincy Adams auf ihrem Weg vor über 200 Jahren durch Schlesien in den Briefen zu folgen und seine Eindrücke zu erfahren. Man war immer wieder begeistert von der schönen Aussicht, den zahllosen klaren Bächen und Quellen und der schlesischen Gastfreundschaft. Die Reisegruppe scheint sich sehr gut auf diese Reise vorbereitet zu haben. Auch heute noch wäre diese Route bestimmt eine Reise wert.

Das Buch im englischen Original, London, 1904.

Die deutsche Ausgabe bei der Deutschen Digitalen Bibliothek.

Weitere Informationen, wie z. B. ein Familienstammbaum und die Originaltexte bei der Massachusetts Historical Society.

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