Als Familienforscher haben wir es heutzutage leicht. Nach der Eingabe von unseren weitreichenden Familienzweigen in ein Computerprogramm, können wir per einfachen Tastendruck einen Stammbaum mit mehreren Tausend Personen oder sogar ein ganzes Buch mit unserer Familiengeschichte ausdrucken.
Vor dem Computerzeitalter war das Auffinden von Informationen ungleich schwieriger und mit der künstlerischen Gestaltung von Stammbäumen und Familienchroniken beauftragte man besser einem Spezialisten.
Genau dies tat Ludwig I. von Liegnitz und Brieg (ca. 1321 – 1398), ein direkter Nachkomme der Heiligen Hedwig von Schlesien. Im Jahre 1353 wurde in seinem Auftrag eine gotische Handschrift mit 408 Pergamentseiten und über 60 kolorierten Miniaturen mit dem Leben und Wirken der Schutzpatronin Schlesiens und weiteren Texten in lateinischer Sprache hergestellt.
Mehrere Gruppenbilder zeigen und benennen Hedwigs Familienmitglieder.
Unter Hedwigs Geschwistern waren unter anderem eine Äbtissin (die jüngste Schwester Mechthild von Andechs, vorn sitzend), der Bischof von Bamberg (Ekbert von Andechs, erkennbar an seiner blauen Mitra) und der Patriarch von Aquileja (Berthold von Andechs, mit der rötlichen Mitra). Zwei ihrer Schwestern tragen eine Krone: Zum einen Marie-Agnes, die Königin von Frankreich, zum anderen Gertrud, Königin von Ungarn. Neben letzterer, etwas kleiner abgebildet, sitzt ihre Tochter, die heilige Elisabeth von Thüringen. Sie ist, ebenso wie ihre Tante Hedwig, durch einen Heiligenschein kenntlich gemacht.
Hedwig von Andechs heiratete im Jahr 1201 Heinrich I. von Schlesien (genannt „der Bärtige“) im Alter von 12 Jahren. Er ist gut erkennbar durch das Wappen mit dem schlesischen Adler. Hedwigs Vater steht im Bild hinter ihr. Es war eine politisch vorteilhafte Eheschließung, die vielen Zeugen der Zeremonie unterstreichen die Bedeutung der Verbindung.
Hedwig und ihr Mann Heinrich hatten zusammen sieben Kinder. Heinrich II. der Fromme fiel 1241 in der Schlacht bei Liegnitz gegen die Mongolen. Konrad war für einen geistlichen Beruf bestimmt, starb aber schon im Alter von ca. 20 Jahren. Gertrud war über 30 Jahre lang Äbtissin im von ihren Eltern gegründeten Kloster Trebnitz. In der dortigen Klosterkirche befindet sich auch ihre Gräber. Ein Sohn starb früh und ist nicht auf dem Familienbild zu sehen, über die übrigen Kinder ist wenig bekannt, vermutlich starben auch sie jung.
Anhand der Abbildungen dieses „Familienalbums“ kann man durchaus einen einfachen Stammbaum erstellen:
Der Hedwigs-, Lübener oder Schlackenwerter Codex, aus dem die Bilder stammen, wechselte im Laufe der Jahrhunderte mehrfach den Besitzer und befindet sich heute im Getty Museum in Los Angeles.