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Ein schlesisches Winterlied

Winterbild von Ludwig Richter

Die Breslauerin „Tante Hedwig“ schrieb den Text zu dem beliebten Kinderlied im Jahr 1869. Es erschien in einem Geschichtenbuch für kleine Kinder.

Die Autorin hatte vorgesehen, dass der Text nach der Melodie des Liedes Wir Kinder, wir haben der Freuden so viel gesungen werden sollte. Es kamen aber auch andere Melodien in Gebrauch, wie z. B. diejenige von „Im Märzen der Bauer“. Die heute verwendete Melodie ist ab 1915 nachweisbar, der Komponist ist unbekannt. Auch der Liedtext weicht vom ursprünglichen Liedtext ab:

Originaltext des Liedes "Schneeflöckchen, Weißröckchen"
Originaltext des Liedes “Schneeflöckchen, Weißröckchen” aus dem Buch “Tante Hedwigs Geschichten für kleine Kinder.”

Hinter dem Pseudonym „Tante Hedwig“ verbarg sich die Kindergärtnerin, Lehrerin und Autorin Hedwig Haberkern geb. Stenzel. Sie wurde am 16.04.1837 in Breslau geboren. Sie hatte viele Geschwister und eine glückliche Krankheit, verlor aber früh ihre Eltern.

Der Vater, Gustav Adolf Stenzel (1792-1854), war ein Historiker, geheimer Archivrat und Universitätsprofessor. Die Mutter, Maria Bredow (1799-1845), war die Tochter des Historikers und Hochschullehrers Gabriel Gottfried Bredow (1773–1814). Hedwigs älterer Bruder, Karl Gustav Wilhelm Stenzel (1826-1905) war Botaniker und wurde 1850 Mitglied der Leopoldina (Mitgliedsnr. 1605).

Zur damaligen Zeit standen Frauen nicht viele Berufe offen. Hedwig wurde nach bestandenem Examen Lehrerin und Erzieherin. Nach ihrer Verheiratung 1866 lebte sie mit ihrem Ehemann Hermann Haberkern (Leiter einer Gasanstalt) zunächst in Myslowitz, wo sie einen Kindergarten gründete. Hier entstand ihr oben erwähntes Buch. 1870 wurde eine Tochter geboren, im Jahre 1872 ein Sohn. Ab 1878 lebte die nun vierköpfige Familie in Beuthen, Oberschlesien.

Nach einem erneuten Umzug nach Breslau, arbeitete Hedwig mehrere Jahre sehr engagiert im Frauenbildungsverein ihrer Schwägerin Anna Simson geb. Haberkern als Ausbilderin für Kindergärtnerinnen und Pflegerinnen. Sie vermittelte die Absolventinnen in ihre ersten Arbeitsstellen und war Inspizientin des angeschlossenen Kindergartens des Frauenvereins, wo sie sich auch weiterhin vielseitig einbrachte.

Ihr freundliches und offenes Wesen und die Fähigkeit, phantasievoll Geschichten zu erzählen, machten es ihr leicht, Zugang zu den Kindern zu bekommen. Dabei orientierte sie sich an der Kindergarten-Pädagogik von Friedrich Fröbel. Dieser hatte erkannt, dass durch eine individuelle Förderung in der frühkindlichen Lebensphase, mit geeignetem Spielmaterial, Liedern und Beschäftigungen, die Grundlagen für die weitere Entwicklung der Kinder gelegt werden kann.

Im Selbstverlag des Frauenbildungsvereins erschien ein weiteres Buch „Kindes Lust und Freud“.

Das Buch „Zwei Wege zum Licht“ war nicht mehr für kleinere Kinder geschrieben, sondern für die „reifere weibliche Jugend“ und laut dem Vorwort des Verlegers „für schlesische Kreise bestimmt“.

Buch "Zwei Wege zum Licht" von Hedwig Haberkern
“Zwei Wege zum Licht” – Eine schlesische Geschichte für die reifere weibliche Jugend von Hedwig Haberkern, 2. Auflage, Ferdinand Hirt &Sohn, Leipzig, 1889

Was früher zur Unterhaltung, Erbauung und Belehrung junger Mädchen bestimmt war, kann heute nur gelesen werden, um ein Gefühl dafür zu bekommen, welches Selbstverständnis die Gesellschaft von der damaligen weiblichen Jugend erwartete. Glücklicherweise haben sich sowohl die allgemeinen Lebensbedingungen, als auch das Frauenbild in den letzten 150 Jahren grundlegend verändert.

Hedwig Haberkern starb am 11. Oktober 1901 im Alter von 64 Jahren in Breslau.

Sterbeurkunde Hedwig Haberkern
Sterbeurkunde von Hedwig Haberkern geb. Stenzel (+ 11.10.1901), Sterbe-Haupt-Register Breslau I, 1901, Band 8

Quellen:

Hedwig Haberkern geb. Stenzel. Geschichte von der Schneewolke, in: Tante Hedwigs Geschichten für kleine Kinder. Ein Buch für erzählende Mütter, Kindergärtnerinnen und kleine Leser. Dritte Auflage. Verlag von Priebatsch’s Buchhandlung Breslau (1910)

Die Lehrerin in Schule und Haus, 1901

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