Kategorien
Damals Rezepte Schlesien

Baumöl- und Kindelbier

Bier nahm in Schlesien einen hohen Stellenwert ein. Bereits 1224 wurde der Anbau der für das Brauen erforderlichen Zutaten Hopfen, Weizen und Gerste urkundlich erwähnt. Die Fürsten oder Freirichter vergaben die Brau- und die Schankgerechtigkeit für die Kretschame (Brau- und Schankhäuser) und manche Hausbesitzer. Nicht jeder durfte Bier brauen, viele Kretschambesitzer auf dem Land mussten ihr Bier aus der nächsten Stadt z. B. aus Glatz beziehen.

Sonntags durfte meist erst ausgeschenkt werden, wenn die Predigten in den Kirchen beendet waren. Die männlichen Kirchgänger kehrten oft im Anschluss zu einem gemeinsamen Bier im Kretscham ein. Die Frauen eilten nach Hause, um das Mittagessen zuzubereiten. (Manchmal war es vielleicht aber auch wie im schlesischen Volkslied besungen: Wenn mer suuntichs ei de Kerche giehn.)

Für die Mönche des Mittelalters war das nährstoffhaltige Starkbier ein flüssiges Nahrungsmittel während der Fastenzeit, denn es galt: „Liquida non frangunt ieunum“, d. h. Flüssiges bricht das Fasten nicht.

Analog dazu war das Baumölbier in Schlesien während der Fastenzeit ein beliebtes Getränk. Baumöl ist eine andere Bezeichnung für Olivenöl. In einem großen Gefäß mischte man Braunbier, Öl, Pfeffer und geröstetes Bier, welches dann in Gläsern ausgeschenkt wurde. Das Brot verhinderte, dass man mit den ersten Schlucken nur Öl zu trinken bekam.

Zeitungsannoncen von 1854, Einladung zum Baumölbier
Schlesische Gebirgsblüten, Waldenburg, Sonnabend, 14. Januar 1854. Beilage. Allgemeiner Anzeiger.

Die Reinerzer Chorgemeinschaft trank das Biergetränk bei Zusammenkünften und nach gelungenen Chorauftritten. Bei ihr bestand es aus Dünnbier, Olivenöl, Zitronensaft und Gewürzen.

Mit der Zeit geriet das Baumölbier aber wohl etwas in Vergessenheit. Bei einem Heimatfest in Neurode wurde daran erinnert – außerhalb der Fastenzeit. Das Rezept ist hier eine leicht andere Variante.

Baumölbier zum Heimatfest
Bad Landecker Stadtblatt u. Nachrichten, Nr. 60, Freitag 28. Juli 1939

Warmbier wurde ebenfalls gern getrunken, entweder als Sonntagsfrühstück oder bei der Kindstaufe als sogenanntes „Kindelbier“. Man bereitete es aus Bier, Milch, Eiern, Rosinen oder Zucker und Gewürzen zu.

Rezept für Warmbier aus dem Schlesischen Kochbuch
Aus dem Schlesischen Kochbuch von Henriette Pelz. 1894. S.187

Quellen:

Drechsler, Paul. Schlesisches Kretschamleben. In: Mitteilungen der Schlesischen Gesellschaft für Volkskunde. 1900/1901, Bd. 4, H. 7, No. 1, Seite 11 ff

Pelz, Henriette. Schlesisches Kochbuch für bürgerliche Haushaltungen enthaltend leicht verständliche und genaue Anweisungen zum Kochen, Braten, Backen, Einmachen, Getränkebereiten, Pökeln, Räuchern etc. Verlag von Wilh. Gottl. Korn, Breslau. 1894, S. 187

Bernatzky, Aloys. Lexikon der Grafschaft Glatz. Glatzer Heimatbücher, Band 8. Marx Verlag. 1984

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert