Das 1871 gegründete Reisebüro “Thomas Cook and Son” in London war und ist das bekannteste Unternehmen der Reisebranche weltweit.
Ein weiteres Reisebüro von Weltruf wurde von den beiden Brüdern Louis und Carl Stangen gegründet. Sie wurden zu Wegbereitern unserer heutigen Tourismusbranche, sind jedoch heute in Vergessenheit geraten.
Louis, geboren 1828 in Ottmachau, begann 1863 mit Firmensitz in Breslau, Sonderzüge für Vergnügungsfahrten anzumieten. Er veranstaltete zunächst Tagesfahrten nach Dresden. Als diese erfolgreich waren, kamen mehrtägige Fahrten in die Sächsische Schweiz dazu. Weitere Ziele waren bald Wien, Krakau und Budapest.
Bereits im folgenden Jahr wurde eine Reise in den Orient angeboten, der noch vier weitere folgten. Die Reiseroute führte über Kairo und Jerusalem nach Smyrna und Konstantinopel. Der jüngere Bruder Carl Stangen (* 5. Mai 1833 in Ziegenhals, Kreis Neisse) wurde in dieser Zeit Mitinhaber.

1868 wurde das „Erste Deutsche Reisebüro“ in Berlin gegründet. Die Berliner konnten nun organisierte Ausflüge zum Hörnerschlittenfahren ins Riesengebirge buchen oder Bahnfahrten in den Schwarzwald, den Harz oder an den Rhein machen.
Zur Eröffnung des Suez-Kanals 1869 war eine Reisegruppe von 60 Personen vor Ort dabei. Auch, um dem Einzug der siegreichen Truppen in Paris 1871 zuzujubeln, war eine Gruppenreise buchbar. Ab 1872 gab es Gesellschaftsreisen in die neue Welt. Bei Stangen bekam man Fahrscheine für die Eisenbahn und Schifffahrtslinien und Hotelgutscheine. Das Reisen wurde dadurch viel planbarer und entspannter.
Louis hatte sich während seiner Militärzeit ein Lungenleiden zugezogen. Er verstarb 1876 in Bad Charlottenbrunn. Carl übernahm mit viel Energie und Kompetenz die Leitung des Unternehmens und erweiterte stetig das Angebot.
Der Besuch der Weltausstellungen wurde ab 1876 im jährlichen Standardprogramm angeboten. Zur spektakulären Weltausstellung nach Paris im Jahr 1900 organisierte das Unternehmen die Reise von 1.500 Kunden.
Ab 1878 ermöglichte das Stangen’sche Reisebüro ihren Kunden gut organisierte Gesellschaftsreisen zu Reisezielen rund um den Erdball – zuverlässig und preiswert. Zu den Kunden gehörten gut betuchte Adlige und Bürgerliche, Offiziere und Kleriker, aber auch Reiseschriftsteller und das Kaiserhaus. Sogar achtmonatige Weltreisen konnten gebucht werden, sowie viermonatige Reisen nach Indien. In einer eigenen Kunsthandlung, in der sogar die Kaiserin persönlich regelmäßig einkaufte, gab es orientalische Waren aller Art.
Vom großen Erfolg beflügelt, wurde der Firmensitz 1686 ganz nach Berlin verlegt. Die beiden Söhne Ernst und Louis verstärkten schon in jungem Alter tatkräftig das Unternehmen und führten Reisegruppen in ferne Länder. Zahlreiche Anerkennungsschreiben gingen ein.

Aufgrund seiner Geschäftsverbindung konnte Stangen auch Orientreisen zur Eröffnung der Erlöserkirche in Jerusalem 1898 durch den Deutschen Kaiser anbieten, die hauptsächlich von Teilnehmern aus evangelischen Kirchenkreisen gebucht wurden.
Das Reisen war aber auch nicht ungefährlich. 1891 brachte der griechische Räuber Athanasios mit seiner Bande den Orient-Express 100km westlich von Konstantinopel zum Entgleisen und raubte die Stangen’sche Reisegruppe aus. Mehrere Männer wurden entführt und erst nach einer Woche gegen die Zahlung eines hohen Lösegeldes wieder frei gelassen.


Die großartige organisatorische und unternehmerische Leistung von Carl Stangen, der gelegentlich auch persönlich Reisen leitete, ist mehr als beeindruckend, besonders wenn man allein die damaligen noch sehr eingeschränkten globalen Kommunikationsmöglichkeiten, unterschiedlichen Währungen, Sprachen und Kulturen bedenkt. Seine Erlebnisse und Eindrücke verarbeitete er in zahlreichen Veröffentlichungen. Darunter gab er auch die Zeitschriften „Der Tourist“ (1884) und „Stangens illustrierte Reise- und Verkehrszeitung“ (1894) heraus.
1905 wurde das Stangen’sche Reisebüro von der Hamburg-Amerika-Linie übernommen und der Name verschwand schnell aus dem Gedächtnis der Reisenden. Carl starb am 20. November 1911 in Berlin. Sein Grab auf dem Friedhof Berlin-Lichterfelde existiert heute nicht mehr.
Sterbeurkunde vom StA Berlin Lichterfelde Nr. 774/1911
Quellen:
Reitzig, Hans. Zwei Schlesier gründeten das erste deutsche Reisebüro. In: Volkskalender für Schlesier 1970. 22. Jahrgang. Aufstieg-Verlag, München. S. 81 ff.
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